Alexandra Ziörjen wollte ihr Gourmet-Restaurant nach einem beruflichen Tiefschlag schon aufgeben. Doch dann beschloss sie zu kämpfen und wurde belohnt
Wäre diese Story nicht wahr, könnte man glauben, ein Filmautor habe sich den Stoff ausgedacht. Was Alexandra Ziörjen, deutsche Gastgeberin des Romantik Hotels l‘Etoile im schweizerischen Charmey, als ihr ganz persönliches Gastro-Märchen erlebte, nennt sie selbst „sensationell, eine unglaubliche Geschichte“. Eine Geschichte, die im Sommer 2018 mit einem Tiefschlag begann. Und ein halbes Jahr später in einen nicht für möglich gehaltenen Erfolg mündete. Ein Paradebeispiel dafür, wie man sich aus einer Krise wieder herausarbeiten kann.
Aus der Schockstarre gelöst
Als vergangenes Jahr zeitgleich der Chefkoch und der Souschef ihres zum Hotel gehörenden Gourmet-Restaurants Nova kündigten, war Alexandra Ziörjen von einem Tag auf den anderen die Führung ihres Küchenteams abhandengekommen. Ein Schock. Doch nach ersten Überlegungen, das Restaurant zu schließen, beschloss die ausgebildete Köchin, um ihr wirtschaftliches Überleben zu kämpfen – und sich nach 14 Jahren eben selbst wieder an den Herd zu stellen. Eine Wahnsinnsherausforderung, wenn man bedenkt, dass die Gastronomin auch noch alleinerziehende Mutter von zwei Jungs im Alter von sechs und neun Jahren ist.
Ein ehrgeiziges Ziel
Wie hat sie sich dazu bloß motiviert? „Es ging um die Existenz des Restaurants und damit auch um zwölf weitere Mitarbeiter, für die ich eine Verantwortung trage. Das hat mich angetrieben. Und natürlich wollte ich mir als Hotelbesitzerin und Gastgeberin auch selbst beweisen, dass ich diese Schwierigkeiten überwinden kann“, erinnert sich Alexandra Ziörjen an diese belastende Zeit.
Hinzu kam: Im Gegensatz zu den meisten anderen Sterneköchen hat die gebürtige Frankfurterin das Kochhandwerk nicht in einer Gourmetküche gelernt, sondern bei den LSG Sky Chefs der Lufthansa. Die dortige Ausbildung gilt allerdings als eine der besten in Deutschland. Davon und von Erfahrungen bei ihren weiteren Stationen in namhaften Restaurantküchen profitierte Alexandra Ziörjen nun. Mit ihrem ganz eigenen Stil, den sie als „regional, frisch, anders“ bezeichnet, etablierte sie das Restaurant Nova als eine der ersten Adressen für Gourmets in der ganzen Schweiz.
Mit einem Stern gekrönt
Die Krönung gab es im Februar 2019, als ihre Küche mit einem Stern des Guide Michelin ausgezeichnet wurde. „Das hatte ich weder angestrebt, noch hätte ich im Leben damit gerechnet“, lacht die neue Sterne-Köchin heute.
Der Doppel-Job als Küchenchefin und Hotelmanagerin, die Erziehung zweier kleiner Kinder: Oft wird Alexandra Ziörjen gefragt, wie sie das alles schafft. Hatte sie in der Krisenphase nie das Gefühl, dass ihr alles über den Kopf wächst? „Organisation ist das A und O“, antwortet sie dann. Und: „Wenn man etwas erreichen will, geht es nur mit vollem Engagement. Das ist oft Stress. Aber den haben andere berufstätige Frauen, zum Beispiel Krankenschwestern, auch.“
Die Zeit intensiv nutzen
In ihrem Fall bedeutet „volles Engagement“ eine Sechs-Tage-Woche mit bis zu 15 Stunden im Dienst, der morgens um halb sieben beginnt. Mit den Jungs frühstücken, sie für die Schule fertigmachen. Dann ins Büro, Einkäufe für die Küche planen und erledigen, Menübesprechungen mit ihrem Team, administrative Aufgaben erledigen und natürlich kochen. Der Michelin-Stern ist nicht nur Auszeichnung, sondern auch Verpflichtung.
Den Mangel an freier Zeit kompensiert Alexandra Ziörjen, indem sie versucht, diese so intensiv wie möglich zu nutzen. Solche Auszeiten seien gerade in schwierigen Situationen wichtig. Kraft schöpft die alleinerziehende Mutter vor allem aus der Zeit, die sie mit ihren Söhnen (Bild oben) verbringt. Zumindest der Sonntagabend ist in der Regel für die beiden reserviert. „Es kommt nicht auf die Quantität an, sondern auf die Qualität“, sagt sie. Genau wie beim Kochen.
„WENN MAN ETWAS ERREICHEN WILL, GEHT DAS NUR MIT VOLLEM ENGAGEMENT“
Das rät der Experte
So bewältigen Sie Krisen
Alexandra Ziörjen hat sich aus ihrer beruflichen Misere wieder herausgearbeitet. „So unangenehm Krisen auch sein mögen, auf lange Sicht haben sie oft etwas Gutes“, erklärt der Mannheimer Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Autor Dr. Rolf Merkle (www.palverlag.de). Zur Bewältigung schwieriger Situationen rät er vor allem zu einer positiven Grundeinstellung. Sein Tipp: „Erinnern Sie sich an Herausforderungen, die sie früher schon einmal bewältigt haben.“ Außerdem könne es helfen, sich Vorbilder zu suchen, etwa Menschen aus dem Freundeskreis, die ähnliche Situationen gemeistert haben.