Forest Bathing hat nichts mit einem herkömmlichen Bad zu tun. Die neue Wellnessmethode aus Japan nutzt die natürlichen Heilkräfte des Waldes. Und die sind sogar wissenschaftlich erwiesen.

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onnenstrahlen fallen schräg durch das grüne Blätterdach. Der Boden ist weich, es riecht nach Baumharz, Erde und Moos. Irgendwo in der Nähe summt ein Insekt, Vögel zwitschern. Der Wald – gibt es einen schöneren Ort, um zur Ruhe zu kommen?

Schon ein einfacher Waldspaziergang entspannt die Nerven und belebt gleichzeitig wie eine Sauerstoffdusche. Ungleich größer ist die Wirkung jedoch, wenn man mit allen Sinnen gleichsam in den Wald eintaucht: Forest Bathing, also Baden im Wald, heißt dieser in Europa noch relativ neue Wellnesstrend mit nachgewiesener therapeutischer Wirkung.

Bewusst entschleunigen, riechen, hören, tasten, die Ruhe des Waldes in sich aufnehmen – ist das jetzt wieder so eine esoterisch angehauchte Modeerscheinung? „Nein“, sagt Leander Diedrich (33), Inhaber des Romantik Wellnesshotels Diedrich im sauerländischen Hallenberg. „Die Methode stammt aus Japan, ist dort umfangreich wissenschaftlich erforscht worden.

Dabei wurde nachgewiesen, dass Forest Bathing eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den menschlichen Körper hat.“ Er und sein Bruder bieten deshalb in ihrem Hotel geführte Forest-Touren an, auf Wunsch begleitet von einer Yogalehrerin oder einem Physiotherapeuten.

Sinnliches 
Erlebnis - die Natur ertasten und spüren.
Sinnliches Erlebnis - die Natur ertasten und spüren.
Beim Bad im Wald heißt es tief durchatmen, Klänge, Düfte und Farben quasi in sich aufsaugen.
Beim Bad im Wald heißt es tief durchatmen, Klänge, Düfte und Farben quasi in sich aufsaugen.

Bei einer Studie japanischer Wissenschaftler wurden Probanden vor und nach einer mehrtägigen Forest-Bathing-Anwendung eingehend untersucht. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Die Adrenalinkonzentration im Körper nahm ab, wohingegen die Zahl der körpereigenen Abwehrzellen um rund 50 Prozent stieg. Blutdruck und Cortisolspiegel sanken. Das Immunsystem wurde also deutlich gestärkt, während das Risiko für stressbedingte Zivilisationskrankheiten wie Burn-out und Herzinfarkt sank.

Dies liegt unter anderem an den sogenannten Phytonziden, biologischen Wirkstoffen, die die Pflanzen im Wald produzieren und an ihre Umgebung abgeben, um sich vor Bakterien zu schützen. Beim Menschen bewirken Phytonzide eine Stärkung der Abwehrkräfte. Deshalb wurde Forest Bathing in Japan sogar als Therapieform in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen.

Beim Bad im Wald kommt es darauf an, in aller Ruhe und so intensiv wie möglich die Eindrücke des Waldes in sich aufzunehmen. Tief durchzuatmen, Klänge, Düfte und Farben quasi aufzusaugen – achtsam zu sein. Unterstützt werden kann dies durch Yoga oder Atemübungen. Stark frequentierte Spazierwege eignen sich dazu nicht. Ob allein oder in der Gruppe – wer es einmal ausprobieren möchte, kann auch ganz ohne Anleitung die wohltuende Wirkung eines intensiven Waldaufenthaltes genießen.

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Von Baum zu Baum

Es ist ein natürliches Wunder, das praktisch im Vorbeigehen passiert: Beim Forest Bathing regen chemische Botenstoffe der Bäume das menschliche Immunsystem an, aktivieren die Abwehrkräfte.

Der entscheidende Faktor bei einem Waldspaziergang liegt in der frischen, würzigen und wohltuenden Luft. Den Ursprung dieses angenehmen Dufts bilden die sogenannten Terpene. Das sind ätherischen Öle, die die Bäume über ihre Harze verströmen. Einige Terpene enthalten neben den besonderen Aromen auch Alarmduftstoffe, sogenannte Phytonzide. Produziert ein Baum diese Stoffe, reagieren die umliegenden Bäume ebenfalls mit Ausschüttung dieses Botenstoffs. Für Biologen und Agrarforscher ist dies ein Beleg dafür, dass sich die Bäume auf diesem Weg über drohende Gefahren informieren. Zum Beispiel als Warnung vor Schädlingen. Je nach Art der Angreifer senden die Bäume den entsprechenden Duftstoff aus. Diese Hinweise werden von Baum zu Baum weitergegeben, damit sich alle rechtzeitig schützen und die überlebenswichtigen Phytonzide produzieren können. Die Duftstoffe haben eine antibakterielle Wirkung und sind sozusagen das Antibiotikum der Baumwelt. Die Kommunikation per Duftstoff dient also in erster Linie der Immunisierung und Gesundheitsvorsorge der Bäume. In der ökologischen Landwirtschaft werden Phytonzide als natürliches Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt.

Neben chemischen Botenstoffen, die man als Mensch kaum riechen, sehen oder hören kann, gibt es noch einen weiteren Kommunikationskanal der Pflanzenwelt. Seit kurzem ist wissenschaftlich bewiesen, dass Pflanzen sich auch über Geräusche miteinander austauschen. Ein internationales Forscherteam entdeckte wiederkehrende Knacklaute an Getreidepflanzen. Was die Wissenschaftler zunächst für Wachstumsgeräusche hielten, entpuppte sich als Wegweiser für nachwachsende Pflanzen. Die Signale sollten dem Nachwuchs deutlich machen: Hierher wachsen, hier ist noch Platz für deine Wurzeln. Eine besonders fürsorgliche Art der Kommunikation und der Nachwuchspflege.

Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, wie genau die Geräusche erzeugt werden.

Pflanzen und Bäume haben sich scheinbar so einiges mitzuteilen. Geheime Codes und unbekannte Kommunikationswege gilt es weiterhin zu entschlüsseln. Bis dahin bleibt genug Zeit für das eine oder andere bewusste Bad im Wald. Und wer genau hinhört, kann eine ganz neue Sprache lernen.

 

Buchtipps zum Thema:
  • Clemens G. Arvay: „Der Biophilia-Effekt – Heilung aus dem Wald“, Ullstein Verlag, 22,90 Euro, Taschenbuch 10,99 Euro
  • Ulli Felber: „Waldbaden – das kleine Übungshandbuch für den Wald“, Schirner Verlag, 6,95 Euro
  •  Peter Wohlleben: „Das geheime Leben der Bäume“, Ludwig Verlag, 19,99 Euro
  •  Peter Wohlleben: „Gebrauchsanweisung für den Wald“, Piper Verlag, 15,00 Euro
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